Stellungnahme zur Wahl der Verfassungsrichterinnen

Als Fachschaftsrat Jura der Universität Heidelberg verfolgen wir die öffentliche und politische Diskussion um die Kandidaturen von Prof. Dr. Frauke Brosius Gersdorf und Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold zu Richterinnen am Bundesverfassungsgericht mit Aufmerksamkeit und Besorgnis. Uns geht es dabei nicht um eine inhaltliche Bewertung einzelner Positionen der Kandidatinnen, sondern um eine kritische Reflexion des Umgangs mit den wissenschaftlichen Tätigkeiten, sowohl im politischen Raum als auch in Teilen der Öffentlichkeit.

Das Verfahren zur Wahl der Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht genießt ein hohes Maß an Vertrauen. Es soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen demokratischer Legitimation und fachlicher Qualifikation sicherstellen. Dafür ist es allerdings erforderlich, dass die Auseinandersetzung mit den Kandidatinnen und Kandidaten sachlich, differenziert und transparent geführt wird. Im Fall von Frau Brosius-Gersdorf und zunehmend auch im Fall von Frau Kaufhold war und ist jedoch zu beobachten, dass juristische Einzelpositionen aus ihrem fachlichen Kontext herausgelöst und in einer Weise diskutiert wurden, die weniger auf inhaltliche Auseinandersetzung als auf politische Symbolik abzielte.

Insbesondere der Ton und die Dynamik der öffentlichen Debatte vor der Wahl durch den Bundestag führten zu persönlichen Diffamierungen und nicht zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Eine solche sachliche und fachlich fundierte Auseinandersetzung ist aber nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch politischen Diskurs notwendig, wenn es um die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Meinungen geht.

Die wiederholte Etikettierung bestimmter, im juristischen Diskurs durchaus vertretbarer, Auffassungen als „extrem“, „aktivistisch” oder „radikal” sowie die darauf aufbauenden politischen Forderungen werfen Fragen nach dem Umgang mit kontroversen, aber fundierten Meinungen im rechtswissenschaftlichen Diskurs auf.

Im Zusammenhang mit der Wahl von Verfassungsrichterinnen und -richtern ist zu beachten, dass in der gesamten Rechtswissenschaft und auch beim Bundesverfassungsgericht nicht rein politisch argumentiert werden kann, um einen diskussionswürdigen Beitrag zu leisten. Am Bundesverfassungsgericht können zudem einzelne Richterinnen und Richter nie allein eine Entscheidung treffen.

Als Studierende der Rechtswissenschaft empfinden wir die Art und Weise, wie mit den Kandidatinnen umgegangen wurde, daher als problematisch. Der Eindruck, dass politische Anschlussfähigkeit über juristische Kompetenz gestellt wird, steht im Widerspruch zu den Prinzipien eines geeigneten Auswahlverfahrens für die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts, welches das Vertrauen in das Gericht sichern soll. Auch für den juristischen Nachwuchs ist es wichtig, dass man sich in die Rechtswissenschaft auch mit fundierten kontroversen Meinungen einbringen kann, ohne für diese nur deshalb öffentlich diffamiert zu werden, weil sie politisch nicht opportun sind, so wie es nun bei angesehenen Verfassungsrechtlerinnen geschehen ist. Die Rechtswissenschaft und die Judikative haben die Aufgabe das Recht auszulegen und anzuwenden, nicht eine Lösung im Sinne der politischen Mehrheit zu entwickeln. Dies sollte bei der Debatte beachtet werden.